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Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade “Gesellschaft & Trauma – Was bewegt euch, wenn ihr hinseht? ” von Die Nikas. 👉 Hier geht’s zur Blogparade 2025 – mach gerne mit!
Der 21.06.2025 ist der “Internationale Yoga-Tag” – ich finde einen besseren Tag gibt es nicht um diesen Beitrag zu veröffentlichen, gibt es nicht.
Trauma ist nicht die Deluxe-Version deines geplatzten Traums. Eher das Gegenteil. Manchmal fühlt es sich an wie ein innerer Nebel, manchmal wie ein Dauerdruck auf der Brust. Und manchmal ist einfach… nichts. Leere. Erstarrung. Rückzug.
Ich weiß, wovon ich spreche – oder besser: ich weiß, wie es sich anfühlt. Schon als Baby war ich still. Nicht dieses friedliche „alles-ist-gut“-Still, sondern eher ein „ich-zieh-mich-zurück“-Still. Während andere Babys schrien, lag ich stundenlang ruhig in meinem Wagen. Mein Lieblingsspielzeug? Meine Füße. Happy Baby Pose war damals kein Asana – sondern einfach ich. Ganz bei mir. Und sehr viel allein.
Heute weiß ich: das war keine bewusste Entscheidung, sondern eine Überlebensstrategie. Bindung war damals schwierig, also habe ich sie irgendwann nicht mehr gesucht. Und dieser Schutzpanzer, der in meiner Kindheit so gut funktioniert hat, ist mir auch im Erwachsenenleben lange geblieben. Gut funktionierend – aber innerlich abgekoppelt.
Sanft, sicher, selbstbestimmt – Yoga bei Trauma-Erfahrung
Was genau ist eigentlich ein Trauma?
„Trauma“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet schlicht: Verletzung. Sowohl physisch, als auch psychisch. Meist denken wir dabei an große Ereignisse – Naturkatastrophen, Gewalt, Krieg. Aber Trauma ist nicht immer laut. Es kann auch leise passieren. In kleinen Momenten von Überforderung, Übergriffigkeit oder dem schmerzhaften Fehlen von Sicherheit und Bindung.
Nicht jeder Mensch, der Schlimmes erlebt, entwickelt ein Trauma. Und nicht jede Traumatisierung zeigt sich gleich. Manche Menschen frieren innerlich ein, andere reagieren mit Angst oder Rückzug. Wieder andere funktionieren einfach weiter – äußerlich unauffällig, innerlich abgeschnitten. Und wieder andere schütteln sich kurz und machen unbelastet einfach weiter.
Trauma ist also weniger das Ereignis an sich, sondern vielmehr das, was in uns passiert, wenn etwas zu viel, zu schnell oder zu heftig ist – und wir keine Möglichkeit haben, es zu verarbeiten. Es speichert sich im Körper, im Nervensystem. Und genau da setzt Yoga an.

Wenn der Körper kein Zuhause mehr ist
Tja – leichter gesagt als getan, oder? Aber genau hier beginnt die Kraft von Yoga. Nicht im perfekten herabschauenden Hund oder dem schönsten Sonnengruß. Sondern in der Erlaubnis, langsam wieder Verbindung aufzubauen. Zu spüren: „Ich bin hier. Ich darf atmen. Ich bin sicher.“ Yoga kann kein Trauma heilen. Und es ersetzt keine Therapie. Aber es kann ein liebevoller Begleiter auf deinem Weg sein. Ein Raum, in dem du wieder Kontakt aufbauen darfst – zu deinem Körper, deinem Atem, deinem Inneren.
Drei Wege zurück ins Spüren – wie Yoga bei Trauma unterstützen kann
Wenn wir über Yoga im Zusammenhang mit Trauma sprechen, ist wichtig: Es gibt nicht den einen richtigen Ansatz. Es gibt verschiedene Wege – und welcher gerade passt, hängt davon ab, wo du stehst, was du brauchst und wie viel Nähe du zu deinem Körper zulassen kannst.
Ich stelle dir hier drei Zugänge vor, die alle dasselbe Ziel haben: dich liebevoll zurück in deinen Körper zu begleiten – Schritt für Schritt.
Somatisches Yoga – dein Körper als Kompass
Somatisches Yoga ist ein eigener Yoga Stil. Es ist wie ein langsames Wiederankommen. Nicht im Sinne von „Mach diese Pose exakt so!“, sondern eher: „Wie fühlt sich dein rechter Fuß heute an?“
Es geht ums Spüren, nicht ums Perfektionieren. Du folgst nicht einer äußeren Ansage, sondern deiner inneren Wahrnehmung. Manchmal bedeutet das: kaum Bewegung. Nur Atmen. Lauschen. Spüren, wo dein Körper heute ein kleines Ja hat.
Was dir somatisches Yoga schenken kann:
- Körperbewusstsein: Du lernst, feine Signale wahrzunehmen – Wärme, Enge, Raum, Kribbeln.
- Selbstregulation: Du darfst dich zurückziehen oder aktivieren, ganz nach deinem Tempo.
- Sanfte Bewegung: Kein Pushen, kein Müssen. Alles darf, nichts muss.
- Verbindung: Du bist nicht nur ein Kopf mit Körper – sondern ein ganzer Mensch.
Besonders für Menschen mit Traumaerfahrung kann das unglaublich wohltuend sein. Endlich mal nichts leisten müssen. Nur da sein. Und langsam wieder fühlen: Ich bin. Ich darf.
Traumasensibles Yoga – Sicherheit durch Haltung
Traumasensibles Yoga ist kein eigener Yogastil, sondern eine Grundhaltung im Unterricht. Es geht um Sicherheit – nicht nur körperlich, sondern emotional und zwischenmenschlich.
Als Yogalehrerin frage ich mich: Was braucht es, damit du dich sicher fühlen kannst? Wie kann ich dich einladen – ohne zu fordern? Wie vermeide ich Druck oder Trigger?
Das bedeutet traumasensibler Yoga konkret:
- Wahlmöglichkeiten: „Du darfst...“ statt „Mach jetzt...“
- Keine Hands-on-Korrekturen: Nähe braucht Erlaubnis.
- Sanfte Sprache: Ich beschreibe, lade ein – statt zu bewerten.
- Raum für Rückzug: Du darfst dich rausnehmen, jederzeit.
Ich gestalte jede meiner Stunden so – nicht nur für Menschen mit Traumaerfahrung, sondern weil ich glaube, dass wir alle etwas mehr Sanftheit gebrauchen können.
Traumasensitives Yoga – Begleitung mit therapeutischem Hintergrund
Traumasensitives Yoga geht noch einen Schritt weiter. Es richtet sich gezielt an Menschen mit konkreten Traumafolgestörungen – oft in Kombination mit Therapie.
Hier geht’s ums Nervensystem. Um Regulation. Um Halt. Oft arbeiten Lehrpersonen mit zusätzlichem Wissen aus Somatic Experiencing®, Polyvagal-Theorie oder körperorientierter Traumatherapie.
Typische Elemente sind zum Beispiel:
- Kleine, vorhersehbare Bewegungen mit Wiederholung
- Struktur & Orientierung – was wann kommt, ist klar
- Fokus auf Erdung, Atem & Selbstwahrnehmung
- Begleitetes Spüren, ohne in die Überforderung zu rutschen
Wichtig: Das braucht fundierte Weiterbildung. Aber es ist ein wertvoller Baustein für Menschen, die ihren Körper (wieder) als Heimat erleben möchten – ganz behutsam, ganz präsent.
Wenn du dich fragst, was „dein“ Yoga ist – dann gilt: Hör auf dein Tempo. Dein Körper weiß, was gut für dich ist. Und du darfst jederzeit sagen: „So, wie es heute ist, ist es genug.“
Wer die Wahl hat, hat die Möglichkeit
Wenn du dich fragst, welcher Yoga-Weg für dich passt, dann vertraue deinem Tempo. Dein Körper weiß oft besser als der Kopf, was gerade gut ist. Und du darfst jederzeit sagen: „So, wie es heute ist, ist es genug.“
Was ist für mich gerade richtig?
Finde deinen passenden Yoga-Zugang bei Trauma oder hoher Belastung:
- Ich spüre meinen Körper kaum oder fühle mich oft abgeschnitten.
- Ich brauche einen sanften, druckfreien Einstieg – ohne Leistungsgedanken.
- Ich möchte selbst entscheiden, was sich gut anfühlt.
- Somatisches Yoga
Sanftes Spüren, innere Wahrnehmung und Selbstregulation. Kein „richtig oder falsch“, nur: Wie fühlt sich das für mich an?
- Ich möchte in einen Yogaraum kommen, der sicher, achtsam und offen ist.
- Ich habe (vielleicht) Traumaerfahrungen – spreche aber nicht darüber.
- Ich wünsche mir Wahlmöglichkeiten und keine körperlichen Korrekturen.
- Traumasensibles Yoga
Keine eigene Methode, sondern eine Haltung: respektvoll, sanft, ohne Druck – für alle, die sich Sicherheit wünschen.
- Ich bin therapeutisch begleitet oder habe konkrete Traumafolgen.
- Ich suche gezielte Unterstützung durch erfahrene, traumasensitiv geschulte Fachpersonen.
- Ich brauche Struktur, kleine Schritte und viel Halt.
- Traumasensitives Yoga
Yoga mit traumatherapeutischem Wissen – oft im Einzelsetting oder als Teil eines Therapiekonzepts.
Wenn du mit konkreten Traumafolgen lebst, ist es wichtig, dich nur von gut ausgebildeten traumasensitiven Yogalehrerinnen oder Therapeutinnen begleiten zu lassen – idealerweise in enger Absprache mit deinen behandelnden Ärzt:innen oder Therapeut:innen. Gerade zu Beginn kann eine Einzelstunde sinnvoll sein, um in sicherem Rahmen erste Erfahrungen zu sammeln.
Für viele ist somatisches Yoga ein wunderbarer Einstieg: Du wirst eingeladen, dich selbst wieder zu spüren – sanft, langsam und ohne Druck. Und egal, für welche Form du dich entscheidest: Deine Yogalehrerin sollte dich sensibel begleiten – mit Offenheit, Achtsamkeit und dem Wissen, dass im Yoga nichts wichtiger ist als Sicherheit und Selbstbestimmung.
Was bleibt – und was ich dir mitgeben möchte
Vielleicht liest du das hier und denkst: Das klingt gut – aber ich weiß nicht, ob ich mich traue.
Vielleicht hast du schon Yoga ausprobiert und bist innerlich ausgestiegen. Vielleicht hast du dich noch nie getraut, überhaupt damit anzufangen.
Dann möchte ich dir sagen: Du bist nicht falsch. Und es ist völlig okay, wenn dein Tempo langsam ist.
Trauma bringt das Nervensystem aus dem Takt – und genau deshalb braucht es liebevolle, geduldige Wege zurück in den Körper. Yoga kann so ein Weg sein. Kein Allheilmittel, kein Zaubertrick. Aber ein Raum, in dem du langsam wieder landen darfst.
Ich wünsche dir, dass du solche Räume findest.
Oder selbst erschaffst – für dich oder andere.
Mit viel Spüren. Viel Ja. Und ganz viel Sicherheit.
Danke, dass du bis hierher gelesen hast.
Vielleicht hast du jetzt Lust, deine Füße zu spüren. Oder einfach ein bisschen tiefer zu atmen. Beides wäre ein Anfang.

Namasté
Deine Stefanie