Tadasana – die Berghaltung – wirkt auf den ersten Blick unscheinbar, doch sie bildet das Fundament vieler Yoga-Praktiken. In dieser Haltung findest du Stabilität, Erdung und innere Ruhe. Entdecke, wie Tadasana nicht nur deine Körperhaltung verbessert, sondern auch deine Achtsamkeit schärft.
In meinem ersten Jahr als Yogaschülerin habe ich Tadasana ehrlich gesagt nicht für voll genommen. „Ah okay, stehen halt.“ Dachte ich. Ich wollte lieber gleich in die Bewegungen, die „richtigen“ Asanas. Als ich dann mit meiner Yoga-Lehrerinnenausbildung begann und anfing mich mit dem Thema hinter dem Thema zu beschäftigen, habe ich erkannt, dass Tadasana nicht nur das Warten vor dem Flow ist – sie ist ein sehr wesentliches Element des Flows. Ein Moment, in dem ich lerne, mich aufzurichten – nicht nur körperlich, sondern auch innerlich.
In diesem Beitrag nehme ich dich mit zur Wurzel dieses scheinbar schlichten Yoga-Moments: Wir schauen, was Tadasana mit dem Berg zu tun hat, was diese Haltung in dir weckt – und welche spirituelle Kraft in ihr schlummert.
Was steckt hinter Tadasana?
Was steckt hinter Tadasana?
Tadasana wird je nach Yoga-Stil auch Samastitih genannt oder Tadasana Samastitih. Die Namen übersetzen sich aus dem Sanskrit wie folgt:
- Tada heißt "Berg"
- Asana bedeutet "Stellung, Haltung"
- Sama steht für "gerade, aufrecht, unbeweglich"
- und Sthitih wird mit "stillstehen, Standhaftigkeit" übersetzt
Ein Berg ist das Synonym für Erhabenheit, Beständigkeit, sowie Unveränderlichkeit. Seine wesentlichsten Merkmale sind Größe, Höhe, Weite und ein Fundament, dass fest mit dem Boden verankert ist; ein Gipfel, der sich bis in die Wolken erstrecken kann.
Dazu hat jeder einzelne Berg immer ausreichend Abstand zu anderen Bergen – ist also gewissermaßen eigenständig, aber nicht allein, denn in Gesellschaft mit anderen Bergen bildet er ein Gebirge oder einen Gebirgszug. Natürlich gibt es auch allein stehende Berge; allerdings deutlich seltener.
Durch die häufig majestätische Erhabenheit eines Berges verbinden viele Menschen mit ihm das Gefühl von Ruhe, Gelassenheit und Frieden.
Genau diese Ruhe und Gelassenheit, sowie das Gefühl des inneren Friedens, kann dir auch Tadasana – die Position des Berges – vermitteln. Diese stark erdende und aktivierende Haltung kann dir helfen in deinem eigenen Körper präsenter zu sein. So wie der Berg seine Stärke und Beständigkeit aus der festen Verankerung mit der Erde schöpft, so kannst du aus der Standfestigkeit und Aufrichtung dieser Asana Ruhe und Gelassenheit entwickeln.
Wenn der Körper im Lot und leich ist, so ist der Geist beweglich. [...] Darum ist es wesentlich, die Kunst des fehlerlosen Stehens zu erlernen.
B.K.S. Iyengar
Was bringt dir Tadasana im Alltag?
Eine wirklich gute Frage. Ganz banal in der Gegend rumstehen und wofür das Ganze?
Das Tolle am einfachen Stehen ist das Stehen selbst. Hast du dir schon einmal so richtig Zeit genommen und dich in deinem Stand beobachtet? Wann hast du das letzte Mal ganz bewusst den Boden unter deinen Füßen gespürt und dich gefragt, welche Punkte deiner Füße jetzt eigentlich Kontakt mit dem Boden haben? Was passiert, wenn du das Körpergewicht mehr auf den Vorderfuss oder mehr auf die Ferse verlagerst? Verändert sich etwas, wenn du deine Füße hüftschmal auseinander stellst oder enger zusammen? Wie fühlt sich das Stehen an, wenn die Augen geschlossen sind?
Tadasana und dein Körper
Diese Asana schult dein Haltungsbewusstsein und deine Körperwahrnehmung, denn in dieser Position bekommst du häufig ein vollkommen anderes Körpergefühl, eine veränderte Wahrnehmung deiner Selbst, ein neues Gespür für deine Aufrichtung. Infolgedessen nimmst du die Position deiner Gelenke zueinander und die Beanspruchung deiner Muskeln anders wahr. Dadurch kann diese Position helfen Rückenschmerzen zu reduzieren und deinen unteren Rücken zu stärken. Du kannst Verspannungen im Körper schneller lokalisieren und lernen diese loszulassen. Durch die bewusste Aufrichtung kannst Du einen Rundrücken wieder zurückbilden. Das alles natürlich nur, wenn du es auch möchtest.
Tadasana und der Atem
Wie immer im Yoga spielt auch in Tadasana die Atmung eine wesentliche Rolle. Einfach nur Stehen ohne bewusst zu atmen? Du bist doch nicht am Supermarkt an der Kasse – obwohl auch da könntest du den Berg praktizieren 😉.
In dieser Position kannst du fest verankert stehen, deine Augen schließen und dich voll und ganz auf deine Antmung konzentrieren. Vermutlich wirst du dabei spüren, wie du mit jedem bewussten Atemzug langsam immer mehr zur Ruhe kommst und deine Atmung tiefer und ruhiger wird. Nimmst du dir richtig Zeit in der Haltung, dann kannst du beobachten, wie sich dein Nervensystem nach und nach beruhigt. Infolgedessen bekommst du das Gefühl mehr und mehr deinem Inneren zu lauschen.
Mit ein wenig Übung wirst du in der Lage sein, die Standhaltung für eine Kurzmeditation zu nutzen und in nur wenigen Augenblicken und bewusster Atmung schnell zur Ruhe zu kommen. Ganz egal welches Chaos gerade und dich tobt.
Wie richtest du dich richtig auf?
Jetzt kommen wir mal zu etwas ganz Praktischem. Lass uns die Asana einmal schrittweise aufbauen:
- stell dich stabil hin, Füße geschlossen oder hüftschmal, Fußkanten parallel
- hebe die Zehen kurz an, spreize sie sanft und lege sie bewusst wieder ab
- verteile das Gewicht gleichmäßig auf Zehballen und Fersen
- beuge die Knie minimal, aktiviere deine Bauch- und gesäßmuskulatur
- richte das Becken auf, dabei die Oberschenkel leicht nach innen drehen
- hebe dein Brustbein sanft an, lasse deine Schultern nach hinten unten sinken
- der Nacken bleibt lang und entspannt, die Arme hängen locker seitlich, dazu lass dein Handflächen nach vorne zeigen
- schließe sanft die Augen, entspanne dein Gesicht und atme ruhig
Und denke immer dran: die Berghaltung ist eine Stellung in vollkommener Ruhe und Konzentration. Sie symbolisiert die Verbindung zwischen Himmel und Erde. Also lass dich nicht aus der Ruhe bringen.
Wie fühlt sich Tadasana wirklich an?
Körperliches Spüren
Nachdem du dich anatomisch korrekt in die Position hinein gearbeitet hast, widmen wir uns den yogischen Aspekten von Tadasana. Denn sie wirkt nicht nur auf deinen Körper, sondern auch auf deinen Geist und deine Seele. Sie ist wie ein innerer Reset: ein Ankommen im eigenen Körper, im Moment, im Hier und Jetzt.
In dieser Spüranleitung lade ich dich ein, tiefer in die Haltung hineinzufühlen. Nicht, um etwas “richtig” zu machen, sondern um dich selbst besser wahrzunehmen. Denn dein Körper spricht – und Tadasana hilft dir zuzuhören.
- Wie fühlen sich deine Füße am Boden an?
- Was passiert, wenn du dein Brustbein sanft anhebst – nicht mit Kraft, sondern mit Neugier?“
- „Wie bewegt sich dein Atem in dieser Haltung?“
- Spürst du eher Standfestigkeit oder eher Leichtigkeit?“
Mentales Fühlen
Wie du bereits festgestellt hast, ist Tadasana ist mehr als bloßes in der Gegendrumstehen. Es ist ein Sich-Verankern. Ein Sich-Erinnern. An deine innere Kraft. An deine Würde. An deine Verbindung zur Erde – und zum Himmel.
Hier sind ein paar mentale Bilder, die dir helfen können, diesen inneren Zustand nicht nur körperlich zu spüren, sondern auch innerlich zu erleben.
- Stell dir vor du bist ein Berg - voll Ruhe, Frieden und Beständigkeit
- Du gibst dein Gewicht in den Bode ab und wirst eins mit ihm
- du spürst den leichten Windhauch um dich und fühlst wie sich deine Haut verändert
- du spürst den leichten Windhauch um dich und fühlst wie sich deine Haut verändert
Emotionen empfinden
Zur Stärkung deines mentalen Fokus, deiner Emotionen und dein Selbstbildes, kannst du die Asana mit einem kurzen, klar formulierten positiven Satz verbinden. Diese Affirmation wirkt wie ein innerer Kompass oder ein liebevoller Reminder an das, was du in dir kultivieren willst.
Beispiele für Affirmationen in Tadasana:
- Ich stehe fest verbunden mit dem Boden und wachse zum Himmel!
- Ich habe einen festen Standpunkt.
- Ich bin zentriert und ruhig in mir.
- Stürme des Lebens mögen kommen – ich kann fest und ruhig sein.
Wann ist Tadasana vielleicht nicht das Richtige?
Die Berghaltung wirkt ruhig und einfach, doch sie verlangt von deinem Körper subtile Ausrichtung, Standkraft und Gleichgewicht. Deshalb ist Achtsamkeit besonders wichtig, wenn körperliche Einschränkungen oder Beschwerden bestehen.
Bei akuten Problemen in Knie, Hüfte, Sprunggelenken oder bei Kopfschmerzen, Schwindel, Schlaflosigkeit solltest du entweder einfach mal auf Tadasana verzichten oder die Körperhaltung individuell angepassen – z. B. durch leicht geöffnete Füße (statt geschlossenem Stand), einen Stuhl oder ein Wand zur Unterstützung, kürzere Haltezeiten oder Ausweichhaltungen im Sitzen.
In Tadasana geht es nicht um “richtig stehen”, sondern um stabil und sicher bei sich ankommen – mit dem, was gerade da ist. Grundsätzlich gilt wie bei allem: nehme die Signale deines Körpers wahr und ernst; achte auf deine persönlichen Grenzen. Überforderung tut niemals gut.
Welche Varianten und Hilfsmittel helfen dir?
Tadasana ist mehr als nur Stehen – es ist ein bewusstes Ankommen im eigenen Körper. Und genau deshalb darf diese Haltung individuell angepasst werden. Denn nicht jeder Fuß steht gleich, nicht jedes Gelenk fühlt sich gleich sicher – und das ist völlig in Ordnung.
Variationen helfen, die Haltung zugänglicher zu machen. Hilfsmittel wie Wand, Block oder Stuhl geben Stabilität, Sicherheit und Vertrauen. Frage einfach deine Yogalehrerin, die hat immer gute Ideen und Varianten parat.
Ob mit geöffneten Füßen, leicht gebeugten Knien oder mit der Unterstützung eines Stuhls – die Essenz von Tadasana bleibt: Innere Aufrichtung, Erdung und Präsenz.
Es geht nicht um ein äußeres Ideal, sondern darum, eine Form zu finden, die deinem Körper heute gut tut.
Im Yoga gilt: alles kann - nichts muss.
eine sehr gute Freundin
Welche Varianten und Hilfsmittel helfen dir?
Tadasana ist nicht nur etwas für die Yogamatte, sondern auch perfekt für den Alltag. Du kannst sie zwischendurch immer mal wieder einnehmen. Jedesmal wenn du an einer Bushaltestelle wartest, richte dich auf, bevor du dich an der Supermarktkasse aufregst, richte dich auf. Es gibt immer wieder ein kleine Alltagssituation in denen du still und leise zum Berg werden kannst.
Tadasana im Alltag ist ein kleiner Reset. Ein stilles ich bin da mitten im Trubel. einfach ein Moment der Präsenz – ohne etwas dafür tun zu müssen. Eine Pose, die dich erdet, wenn es um dich herum stürmt – oder in dir.
So wirst du zum Berg – auch abseits der Matte
Probier’s direkt aus:
Bereit, die Kraft der Berghaltung zu spüren? Roll deine Matte aus . Stell dich jetzt einen Moment hin. Atme. Spüre den Boden. Und werde für einen Augenblick der Berg in dir.
Wenn du magst, teile in den Kommentaren: Was verändert sich für dich, wenn du Tadasana nicht als Pause, sondern als Power-Moment siehst?
Tadasana
Diese fünfteilige Serie lädt dich ein, die Berghaltung nicht nur körperlich, sondern auch seelisch und spirituell zu erleben. Jede Folge beleuchtet eine andere Facette – von innerer Ausrichtung bis hin zu Standhaftigkeit und sanfter Bewegung.